Fachlicher Kontext des Projekts

Die Rolle von Sprachtechnologie und Computerlinguistik

Die Bundesrepublik Deutschland durchlebt die Transformation von einer Industriegesellschaft zu einer Informationsgesellschaft. In letzterer sind Informationen - zur rechten Zeit und am rechten Ort verfügbar und in der rechten Form, um in Handlungswissen umgesetzt zu werden - der wichtigste Produktivfaktor. Das Management von Information und deren Erschließung und Umsetzung in Handlungswissen ist zugleich eine zentrale Dienstleistung und eine technologische Herausforderung.

Es ist eine Folge dieser Entwicklung, dass sich in den letzten Jahren um die Informationstechnologie herum ein explosionsartig wachsender Markt gebildet hat. Ein starker Treibriemen dieser Entwicklung ist natürlich das "Dokuversum" des Internet.

Der Sprachtechnologie kommt bei der automatischen Erschließung und Klassifikation von Dokumenten und der in ihnen enthaltenen Informationen eine Schlüsselrolle zu. Fachkräfte, die die sprachtechnologischen Herausforderungen der Informationserschließung und -verarbeitung bewältigen können, werden an den Universitäten ausgebildet, an denen sich bereits seit einigen Jahrzehnten das Forschungs- und Ausbildungsfach Computerlinguistik etabliert hat. Aufgrund der explosionsartigen Entwicklung der Sprach- und Informationsdienstleistungen besteht jedoch ein akuter Mangel an adäquat ausgebildeten Fachleuten in diesem Bereich. Hinzu kommt, dass global operierende Konzerne und Universitäten um die Spitzenkräfte in diesem Bereich konkurrieren. Dem Mangel an Fachkräften kann nur durch eine effiziente Ausbildung abgeholfen werden. Dafür muss ein qualitativ hochwertiges Lehrangebot an allen Ausbildungsorten der Computerlinguistik geschaffen und die fortgeschrittenen Studierenden müssen frühzeitig, d.h. im Hauptstudium oder in einem Aufbaustudium, an die Spitzenforschung, die an den Standorten betrieben wird, herangeführt werden. Zugleich muss die Übertragung von Fachinhalten in andere Bildungssektoren, etwa die inner- und außerbetriebliche Weiterbildung, anvisiert werden.

Der interdisziplinäre Charakter des Faches und die Notwendigkeit einer vernetzten Ausbildung

Das Fach Computerlinguistik ist interdisziplinär angelegt. Es hat sich in mehr als 30 Jahren als Studienfach an den deutschen Hochschulen etabliert. Aus historischen Gründen ist es an einigen Standorten der Informatik angeschlossen, an anderen der Sprachwissenschaft oder einer Philologie zugeordnet. Neben den angestammten Fächern Linguistik und Informatik sollten sich angehende ComputerlinguistInnen Wissen in weiteren benachbarten Fächern aneignen, z.B. in den Übersetzungswissenschaften oder der kognitiven Psychologie. Dementsprechend groß ist die Diversität der Studiengänge und Prüfungsordnungen. So ist es schwer für die Studierenden, während ihres Studiums den Standort zu wechseln und ihren Horizont zu erweitern.

Das Fach Computerlinguistik hat zugleich eine nationale Identität als auch eine internationale Ausrichtung. Die Aufgabe der Computerlinguistik in Deutschland ist es, Ressourcen und Verfahren zu entwickeln, deren Gegenstand die deutsche Sprache - oft in Kombination mit einer oder mehreren anderen Sprachen - ist. Die mittelständische Industrie in Deutschland benötigt in erster Linie Technologien und Werkzeuge, die auf die Verarbeitung des Deutschen ausgerichtet oder für diese angepasst sind. Zugleich hat die Fachgemeinschaft eine internationale Ausrichtung. Die meisten aktuellen Forschungsergebnisse werden in Englisch publiziert und das Fach ist ohne eine starke internationale Verflechtung nicht denkbar.

Die Größe und die Ressourcen der CL an den einzelnen Universitäten in Deutschland erlaubt es nicht, einen angemessenen Ausschnitt der für qualifizierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit notwendigen Kenntnisse an Ort und Stelle mit dem dort verfügbaren Lehrpersonal zu vermitteln. Das Defizit wird durch Lehraufträge, in günstigen Fällen durch die Unterstützung benachbarter Fachbereiche auszugleichen versucht. Dies erweist sich aber meist als unzureichend. Aus den bisher genannten kritischen Faktoren:

  • Probleme, den Bedarf an adäquat ausgebildeten Fachleuten zu decken,
  • Probleme, das Fach in Lehre und Ausbildung an den Standorten angemessen zu rekonstruieren sowie
  • große Diversität der Curricula an den Standorten

erwachsen die Maßnahmen, die die Antragsteller ergreifen wollen.


MiLCA Letzte Änderung: 11. März 2003
Verwaltet von Lothar Lemnitzer
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Universität Tübingen - Seminar für Sprachwissenschaft - Abteilung Computerlinguistik
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