Didaktische
Konzeption
Bei der
didaktischen Konzeption multimedialer Lernangebote sind verschiedene Analyse-
und Konzeptionsschritte zu durchlaufen.
Bildungsproblem
Das
Bildungsproblem wird erfaßt durch die Konkretisierung und Ausformulierung von
folgenden Aspekten:
·
Bestimmung und Analyse der Zielgruppe
Dabei ist zu beachten, daß Lerninhalte
auf Vorkenntnisse der Lerner auszurichten sind. Außerdem spielt die Lernmotivation
eine Rolle. Lernt der Studierende aus Spaß an der Beschäftigung mit dem
Lerngegenstand (intrinsische Motivation)oder lernt er aus Gründen des
Scheinerwerbs (extrinsische Motivation)? Außerdem sollten Lerngewohnheiten, die
Lerndauer und Einstellungen und Erfahrungen der Lerner beachtet werden. Dabei
geht es um die Frage, ob generell nur ein extern vorgegebener Zugang zum
Lerninhalt möglich ist oder ob der Lerner seinen Lernweg individuell wählen
kann. Weiterhin ist der Medienzugang bzw. der Lernort zu spezifizieren.
·
Bestimmung von Inhalts- und Ergebniskomponenten der
Lernziele
Die Inhaltskomponente beschreibt, auf
welche Fakten, Prozeduren, Regeln usw. sich das Lernangebot bezieht.
Die Ergebniskomponente beschreibt,
welche Kompetenzen die Adressaten durch das Lernangebot erwerben sollen und wie
sich diese feststellen lassen.
Zur Ausformulierung der kognitiven
Ziele kann man sich dabei auf die Lernzieltaxonomie nach Benjamin Bloom
beziehen (Klimax von 1. Nach 6.):
Strategie
Hierbei geht
es um die Wahl eines bestimmten didaktischen Szenarios.
Dabei sind die
oben genannten Aspekte ausschlaggebend sowie Fragen nach dem Nutzen beim
Lerner, Fragen nach dem Entwicklungsaufwand und Fragen nach vielleicht bereits
bestehenden Erfahrungen bei ähnlichen Produkten.
Welche
Lernszenarien können unterschieden werden?
Telemediale
Lernumgebungen
Neben dem
Kriterium der Synchronität von Lehr- und Lernaktivitäten (synchron vs.
Asynchron) sind die Betreuung (offen/unbetreut vs. betreut) und die
Kommunikationswege (1:1; n:n) einer telemedialen Lernumgebung als zentrale
didaktische Parameter zu werten.
Kerres und
Jechle (2000) unterscheiden in:
·
Tele-Teaching (synchrone, bidirektionale Kommunikation)
·
Tele-Tutoring (Bereitstellen von Lernaufgaben + Feedback)
·
Individuelle Betreuung durch Tele-Tutoren/-Coaches
·
Betreute Lerngruppen im Netz (neben dem Bereitstellen von
Lernaufgaben ist auch die Betreuung von Gruppenprozessen notwendig)
·
Offenes Tele-Lernen (learning on
demand, just in time learning)
Klassifikation
multimedialer Lernangebote
Eine eher
pragmatische, an technischen und verwendungsbezogenen Aspekten orientierte
Unterscheidung von Typen verschiedener Unterrichtssoftware nimmt Leufen (1996)
vor. Er unterscheidet
·
Tutorials und Übungsprogramme (drill-and-practice-Prinzip)
·
Intelligente tutorielle Systeme
·
Simulationsprogramme
·
Hypertextorientierte Datenbestände oder Datenbanken
·
Werkzeuge
·
Programmiersysteme
·
Hypermedia-Arbeitsumgebungen
·
Spielerische Lernprogramme
·
Virtuelle Welten (Schwan und Buder (2001) unterscheiden
Explorationswelten, Trainingswelten, Experimentalwelten und
Konstruktionswelten)
Organisation
des Lernangebotes mit Hilfe von multimedialen Systemen
Nachdem man
Fragen zum Bildungsproblem, zur Zielgruppe, zum Lerninhalt und zum geeigneten
Lernszenario beantwortet hat, kommt man zu einem weiteren wichtigen Punkt: Die
Aufbereitung des Lerninhaltes
Bezugnehmend
auf die Klassifikation multimedialer Lernumgebungen nach Leufen (1996) ist zu
fragen, in welchem Lehr-/Lernkontext Medien zur Anwendung gebracht werden.
Außerdem muß eine Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Medium getroffen
werden (Text, Bild, Video, Ton). Als Ziel sollte dabei die bessere
Wissensvermittlung
als mit traditionellen Verfahren betrachtet werden.
Folgende
Aspekte stehen dabei im Vordergrund:
·
anschauliche Darstellung komplexer Themen
·
Wissensnutzung in praktischen Anwendungsgebieten
·
Unterstützung von selbstgesteuertem, aktivem und
problemlösendem Lernen
·
Flexibilität und Interaktivität der Lernumgebung
Die flexiblen
Darstellungsformen in multimedialen Lernumgebungen machen es möglich, sich
stärker an den mentalen Repräsentationen von Wissen im menschlichen Gedächtnis
zu orientieren und so Lernen zu erleichtern. So profitiert man durch
verschiedene Symbolsysteme und kann dadurch Wissen in geeigneter Form
darstellen, wie z.B. dynamische Informationen durch Animationen, mathematische
Informationen durch Graphiken, argumentative Informationen durch Text usw.
(Hesse & Schwan, im Druck). Außerdem ist Wissen in verschiedener Weise
gleichzeitig darstellbar. Der Lerner kann so seinen eigenen Lernweg wählen und
sein Wissen bei hypermedialer Darstellung selbstgesteuert entsprechend seinem
Vorwissen vertiefen.
Zur
didaktischen Aufbereitung von Lerninhalten mit Hilfe verschiedener
Symbolsysteme siehe folgende Literatur:
Issing, L.J. (1993). Wissenserwerb mit bildlichen Analogien. In: Weidenmann, B.
(1993). Wissenserwerb mit Bildern.
Bern:Huber.
Paivio, , A.
(1986). Mental representations: A dual-coding approach. New York: Oxford University Press.
Peeck, J.
(1993). Wissenserwerb mit darstellenden Bildern. In: Weidenmann, B. (1993). Wissenserwerb mit Bildern. Bern:Huber.
Petterson, R.
(1993). Visual Literacy und Infologie. In: Weidenmann, B. (Hrsg.). Wissenserwerb mit Bildern. Bern: Hans
Huber.
Schnotz, W.
(1993). Wissenserwerb mit logischen Bildern. In: Weidenmann, B. (1993). Wissenserwerb mit Bildern. Bern:Huber.
Tergan, S.-O.
(1997). Hypertext und Hypermedia: Konzeption, Lernmöglichkeiten, Lernprobleme.
In: Issing, L.J. & Klimsa, P. (1997). Information
und Lernen mit Multimedia. Weinheim: Beltz.
Weidenmann, B.
(1988). Psychische Prozesse beim
Verstehen von Bildern. Bern: Huber.
Weidenmann, B.
(1991). Lernen mit Bildmedien:
Psychologische und didaktische Grundlagen. Weinheim: Beltz.
Weidenmann, B.
(1994). Psychologie des Lernens mit Medien. In: Weidenmann, B. & Krapp, A.
(1994). Pädagogische Psychologie.
Weinheim: Beltz.
Albrecht
(2000) nennt einige didaktische Anregungen bei Gestaltung der Inhaltsebene:
·
Einführung: Aufmerksamkeit lenken - Probleme darstellen -
Interesse wecken – Ziele festlegen
·
Bearbeitung: Vorwissen aktivieren – Informationen und
Beispiele vermitteln – Lernhilfen anbieten – Lernberatung (Feedback)
·
Festigung: Übungsaufgaben – Feedback – Wiederholungen –
Ergänzungen und zusätzliche Lernmöglichkeiten anbietten
·
Für die Planung der Abfolge der Lernschritte gilt: vom
Allgemeinen zum Besonderen, vom Bekannten zum Unbekannten, vom Einfachen zum
Komplexen, entsprechend der natürlichen Prozeßabfolge und Fachsystematik
Evaluation
Was ist Evaluation?
Evaluation ist
die Bewertung oder der Prozeß der Beurteilung des Wertes eines Produktes,
Prozesses oder eines Programmes. Evaluationsforschung verwendet dabei explizit
wissenschaftliche Forschungsmethoden und –techniken (Wottawa & Thierau,
1998).
Evaluation
kann zu wissenschaftlichen Zwecken vorgenommen werden oder aus dem Aspekt der
Dienstleistung heraus. In jedem Falle aber sind folgende Schritte zu
durchlaufen (Rossi & Freeman, 1993):
Bei den
Punkten 1, 2, 3, 6 und 8 ist die Beteiligung der Auftraggeber bzw. der
Projektpartner zu beachten. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß es sich um
Auftragsevaluation handelt.
Grundsätzlich
ist anzumerken: Evaluation ist keine Last, sondern eine Hilfe. Aus formativer
Evaluation ergeben sich in der Regel wichtige Hinweise zur Verbesserung des
evaluierten Gegenstandes. Dabei ist der Evaluator aber auf die Hilfe der
Partner angewiesen. Gute Evaluation ergibt sich nur aus guten Daten!
Daten
Im folgenden
sollen die für in unserem Fall wichtigen Daten besprochen werden. Es handelt
sich um:
·
Protokolldaten
·
Leistungsdaten
·
Fragebogendaten
Protokolldaten
Insbesondere
bei der Evaluation von virtuellen Seminaren genügt es nicht, nur auf die
subjektiven Ratings der Benutzer zurückzugreifen. Hier bestehen auch andere
Möglichkeiten, nämlich die Zuhilfenahme von Protokolldaten. Diese sind objektiv
und spiegeln die tatsächliche Programmnutzung durch die Lerner wider. So kann
man Rückschlüsse ziehen auf die Effektivität der medialen Elemente sowie auf
die Interaktivität zwischen Programm und Nutzer (Burton & Walther, 2001).
Theoretische Hypothesen über Variablen des Nutzerverhaltens können besser und
valider geprüft werden.
Protokolldaten
können durch andere Informationen (z.B. Fragebogendaten) ergänzt werden.
Welche Daten
sind wichtig?
·
Serverdaten der besuchten Seiten des Nutzers (interne und
externe Links)
·
Nutzungsdauer pro Seite, Nutzungsdauer pro Sitzung
·
Zugriffszeit
·
Downloads
·
Kommunikation des Benutzers
·
Hitliste der am meisten besuchten Seiten des Nutzers
Leistungsdaten
Neben
subjektiven Fragebogendaten sollten weiterhin objektive Leistungsdaten erhoben
werden (Jäger & Petermann, 1995). Hierunter versteht man in Bezug auf
virtuelle Seminare die Durchführung von Vor- und Nachtests zur Feststellung des
individuellen Wissensstandes vor und nach Beendigung des Seminars.
Diese Tests
sind insofern nicht nur für die Evaluation wichtig, als der Lehrer in
virtuellen Seminaren mit Lernern konfrontiert ist, die er nicht kennt und die
mit verschiedenem Vorwissen das Seminar besuchen. Der Lehrer kann sich durch
den Vortest einen Überblick über das Wissen der Teilnehmer verschaffen.
Für die Lerner
ist ein Vor- und Nachtest insofern wichtig, als sie dadurch ein zusätzliches
Feedback über ihren Wissensstand erhalten.
Leistungsdaten
sind ebenso wie Protokolldaten objektiv und nicht abhängig von der
individuellen Wahrnehmung und Erinnerung des Lerners oder von eventuellen
anderen beeinflussenden Variablen. Es handelt sich um sogenannte harte Daten.
Sie können durch subjektive Fragebogendaten ergänzt werden.
Zu prüfende
Hypothesen:
Wie sollte ein
Vor- bzw. Nachtest konstruiert werden (Bortz & Döring, 1995)?
·
Zwischen 5 und 10 Fragen genügen
·
Am einfachsten sind Multiple-Choice-Fragen
·
Sie sollten so konstruiert sein, daß sie eine Unterscheidung
in gutes und weniger gutes Vorwissen zulassen (Stichworte: Itemschwierigkeit,
Trennschärfe, Homogenität des Tests)
·
Es sollten mindestens ein oder zwei Fragen von jedem Lerner
beantwortet werden können, um Frustration zu vermeiden.
Fragebogendaten
Fragebogendaten
sind subjektiv und quantitativ. Sie können bei Bedarf durch zusätzliche
qualitative Daten ergänzt werden.
Es sollen
erhoben werden:
·
Soziodemographica
·
Motivation des Lerners, an der Veranstaltung teilzunehmen
·
Aktionen und Kommunikation des Lerners aus seiner Sicht
·
Beurteilung des Seminars aus der Sicht des Lerners
Fragebogendaten
dienen also neben objektiven Daten dazu zu klären, ob das Bildungsproblem, die
Lernziele sowie die gewählte didaktische Strategie im Seminar adäquat umgesetzt
wurden und zum erwünschten Erfolg führten.
Quantitative
Daten sind einfacher zu erheben, beanspruchen den Probanden weniger, sind
repräsentativer und bei größeren Populationen das Mittel der Wahl.
Quellen
Albrecht, R.
(2000). Einsatz elektronischer Medien im realen und virtuellen Campus.
Bortz, J.
& Döring, N. (1995). Forschungsmethoden
und Evaluation. Berlin:
Springer.
Burton, M.C. & Walther, J.B. (2001). The Value of Web Log Data in
Use-Based Design and Testing. Journal of
Computer-Mediated Communication, 6, No. 1 u.2.
Hesse, F.W.
& Schwan S. (im Druck). Internet-Based
Teleteaching. In:
Krank, W., Ludwig, H.W. & Straßner, E. (Hrsg.). Media: Technology, History, Communication, Aesthetics.
An International Handbook of International Research. Handbook of Linguistic and
Communication Science. Berlin: de
Gruyter.
Jäger, R.S.
& Petermann, F. (1995). Psychologische
Diagnostik. Weinheim: Beltz.
Kerres, M.
(1999). Didaktische Konzeption multimedialer und telemedialer Lernumgebungen. HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, 1,
S. 22-35.
Kerres, M.
& Jechle, T. (2000). Betreuung des mediengestützten Lernens in telemedialen
Lernumgebungen. Unterrichtswissenschaft.
Zeitschrift für Lehr-Lernforschung.
Leufen, S.
(1996). Software-Angebot für Unterricht und Schule. In: Bertelsmann Stiftung
& Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.). Neue
Medien in den Schulen. Projekte – Konzepte – Kompetenzen. Gütersloh: BIG.
Rossi, P.H. & Freeman, H.E. (1993). Evaluation. A systematic Approach. Beverly Hills: Sage.
Schwan, S.
(2001). Virtuelle Realitäten: Ein
pädagogisch-psychologischer Überblick. Abstract des Überblicksreferates auf
der 8. Fachtagung Pädagogische Psychologie. Landau.
Wottawa, H.
& Thierau, H. (1998). Lehrbuch
Evaluation. Bern: Huber.