Didaktische Konzeption

 

Bei der didaktischen Konzeption multimedialer Lernangebote sind verschiedene Analyse- und Konzeptionsschritte zu durchlaufen.

 

  1. Bildungsproblem
  2. Strategie
  3. Organisation des Lernangebotes mit Hilfe von multimedialen Systemen

 

Bildungsproblem

 

Das Bildungsproblem wird erfaßt durch die Konkretisierung und Ausformulierung von folgenden Aspekten:

 

·        Bestimmung und Analyse der Zielgruppe

Dabei ist zu beachten, daß Lerninhalte auf Vorkenntnisse der Lerner auszurichten sind. Außerdem spielt die Lernmotivation eine Rolle. Lernt der Studierende aus Spaß an der Beschäftigung mit dem Lerngegenstand (intrinsische Motivation)oder lernt er aus Gründen des Scheinerwerbs (extrinsische Motivation)? Außerdem sollten Lerngewohnheiten, die Lerndauer und Einstellungen und Erfahrungen der Lerner beachtet werden. Dabei geht es um die Frage, ob generell nur ein extern vorgegebener Zugang zum Lerninhalt möglich ist oder ob der Lerner seinen Lernweg individuell wählen kann. Weiterhin ist der Medienzugang bzw. der Lernort zu spezifizieren.

 

·        Bestimmung von Inhalts- und Ergebniskomponenten der Lernziele

Die Inhaltskomponente beschreibt, auf welche Fakten, Prozeduren, Regeln usw. sich das Lernangebot bezieht.

Die Ergebniskomponente beschreibt, welche Kompetenzen die Adressaten durch das Lernangebot erwerben sollen und wie sich diese feststellen lassen.

Zur Ausformulierung der kognitiven Ziele kann man sich dabei auf die Lernzieltaxonomie nach Benjamin Bloom beziehen (Klimax von 1. Nach 6.):

  1. Kenntnisse: Bekannte Informationen aus dem Gedächtnis erinnern können
  2. Verstehen: Neue Informationen verstehen und in einen größeren Kontext einordnen
  3. Anwenden: Regeln und Prinzipien in definierten Situationen verwenden
  4. Analyse: Sachverhalte in ihre Bestandteile gliedern können
  5. Synthese: Teile/Elemente in ein neues Ganzes zusammenfügen
  6. Bewerten: Es können Urteile gefällt werden, ob bestimmte Kriterien erfüllt sind.

 

Strategie

 

Hierbei geht es um die Wahl eines bestimmten didaktischen Szenarios.

Dabei sind die oben genannten Aspekte ausschlaggebend sowie Fragen nach dem Nutzen beim Lerner, Fragen nach dem Entwicklungsaufwand und Fragen nach vielleicht bereits bestehenden Erfahrungen bei ähnlichen Produkten.

 

Welche Lernszenarien können unterschieden werden?

 

Telemediale Lernumgebungen

Neben dem Kriterium der Synchronität von Lehr- und Lernaktivitäten (synchron vs. Asynchron) sind die Betreuung (offen/unbetreut vs. betreut) und die Kommunikationswege (1:1; n:n) einer telemedialen Lernumgebung als zentrale didaktische Parameter zu werten.

 

Kerres und Jechle (2000) unterscheiden in:

·        Tele-Teaching (synchrone, bidirektionale Kommunikation)

·        Tele-Tutoring (Bereitstellen von Lernaufgaben + Feedback)

·        Individuelle Betreuung durch Tele-Tutoren/-Coaches

·        Betreute Lerngruppen im Netz (neben dem Bereitstellen von Lernaufgaben ist auch die Betreuung von Gruppenprozessen notwendig)

·        Offenes Tele-Lernen (learning on demand, just in time learning)

 

Klassifikation multimedialer Lernangebote

 

Eine eher pragmatische, an technischen und verwendungsbezogenen Aspekten orientierte Unterscheidung von Typen verschiedener Unterrichtssoftware nimmt Leufen (1996) vor. Er unterscheidet

·        Tutorials und Übungsprogramme (drill-and-practice-Prinzip)

·        Intelligente tutorielle Systeme

·        Simulationsprogramme

·        Hypertextorientierte Datenbestände oder Datenbanken

·        Werkzeuge

·        Programmiersysteme

·        Hypermedia-Arbeitsumgebungen

·        Spielerische Lernprogramme

·        Virtuelle Welten (Schwan und Buder (2001) unterscheiden Explorationswelten, Trainingswelten, Experimentalwelten und Konstruktionswelten)

 

Organisation des Lernangebotes mit Hilfe von multimedialen Systemen

 

Nachdem man Fragen zum Bildungsproblem, zur Zielgruppe, zum Lerninhalt und zum geeigneten Lernszenario beantwortet hat, kommt man zu einem weiteren wichtigen Punkt: Die Aufbereitung des Lerninhaltes

 

Bezugnehmend auf die Klassifikation multimedialer Lernumgebungen nach Leufen (1996) ist zu fragen, in welchem Lehr-/Lernkontext Medien zur Anwendung gebracht werden. Außerdem muß eine Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Medium getroffen werden (Text, Bild, Video, Ton). Als Ziel sollte dabei die bessere

Wissensvermittlung als mit traditionellen Verfahren betrachtet werden.

 

Folgende Aspekte stehen dabei im Vordergrund:

·        anschauliche Darstellung komplexer Themen

·        Wissensnutzung in praktischen Anwendungsgebieten

·        Unterstützung von selbstgesteuertem, aktivem und problemlösendem Lernen

·        Flexibilität und Interaktivität der Lernumgebung

 

Die flexiblen Darstellungsformen in multimedialen Lernumgebungen machen es möglich, sich stärker an den mentalen Repräsentationen von Wissen im menschlichen Gedächtnis zu orientieren und so Lernen zu erleichtern. So profitiert man durch verschiedene Symbolsysteme und kann dadurch Wissen in geeigneter Form darstellen, wie z.B. dynamische Informationen durch Animationen, mathematische Informationen durch Graphiken, argumentative Informationen durch Text usw. (Hesse & Schwan, im Druck). Außerdem ist Wissen in verschiedener Weise gleichzeitig darstellbar. Der Lerner kann so seinen eigenen Lernweg wählen und sein Wissen bei hypermedialer Darstellung selbstgesteuert entsprechend seinem Vorwissen vertiefen.

 

Zur didaktischen Aufbereitung von Lerninhalten mit Hilfe verschiedener Symbolsysteme siehe folgende Literatur:

Issing, L.J. (1993). Wissenserwerb mit bildlichen Analogien. In: Weidenmann, B. (1993). Wissenserwerb mit Bildern. Bern:Huber.

Paivio, , A. (1986). Mental representations: A dual-coding approach. New York: Oxford University Press.

Peeck, J. (1993). Wissenserwerb mit darstellenden Bildern. In: Weidenmann, B. (1993). Wissenserwerb mit Bildern. Bern:Huber.

Petterson, R. (1993). Visual Literacy und Infologie. In: Weidenmann, B. (Hrsg.). Wissenserwerb mit Bildern. Bern: Hans Huber.

Schnotz, W. (1993). Wissenserwerb mit logischen Bildern. In: Weidenmann, B. (1993). Wissenserwerb mit Bildern. Bern:Huber.

Tergan, S.-O. (1997). Hypertext und Hypermedia: Konzeption, Lernmöglichkeiten, Lernprobleme. In: Issing, L.J. & Klimsa, P. (1997). Information und Lernen mit Multimedia. Weinheim: Beltz.

Weidenmann, B. (1988). Psychische Prozesse beim Verstehen von Bildern. Bern: Huber.

Weidenmann, B. (1991). Lernen mit Bildmedien: Psychologische und didaktische Grundlagen. Weinheim: Beltz.

Weidenmann, B. (1994). Psychologie des Lernens mit Medien. In: Weidenmann, B. & Krapp, A. (1994). Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz.

 

Albrecht (2000) nennt einige didaktische Anregungen bei Gestaltung der Inhaltsebene:

·        Einführung: Aufmerksamkeit lenken - Probleme darstellen - Interesse wecken – Ziele festlegen

·        Bearbeitung: Vorwissen aktivieren – Informationen und Beispiele vermitteln – Lernhilfen anbieten – Lernberatung (Feedback)

·        Festigung: Übungsaufgaben – Feedback – Wiederholungen – Ergänzungen und zusätzliche Lernmöglichkeiten anbietten

·        Für die Planung der Abfolge der Lernschritte gilt: vom Allgemeinen zum Besonderen, vom Bekannten zum Unbekannten, vom Einfachen zum Komplexen, entsprechend der natürlichen Prozeßabfolge und Fachsystematik

 

 

Evaluation

 

Was ist Evaluation?

 

Evaluation ist die Bewertung oder der Prozeß der Beurteilung des Wertes eines Produktes, Prozesses oder eines Programmes. Evaluationsforschung verwendet dabei explizit wissenschaftliche Forschungsmethoden und –techniken (Wottawa & Thierau, 1998).

 

Evaluation kann zu wissenschaftlichen Zwecken vorgenommen werden oder aus dem Aspekt der Dienstleistung heraus. In jedem Falle aber sind folgende Schritte zu durchlaufen (Rossi & Freeman, 1993):

  1. Bestimmung der Situation, Rahmenbedingungen und der beteiligten Personen
  2. Bestimmung der Ziele der Evaluation (dabei ist die Diskrepanz zwischen Ist- und Soll-Zustand zu beachten)
  3. Formulierung der Fragestellung
  4. Bestimmung des Zeitpunktes der Evaluation
  5. Konstruktion der Erhebungsinstrumente
  6. Handlungsausführung, Erhebung und Durchführungskontrolle
  7. Ergebnisauswertung
  8. Folgen, Bewertung, Handlungskorrektur

 

Bei den Punkten 1, 2, 3, 6 und 8 ist die Beteiligung der Auftraggeber bzw. der Projektpartner zu beachten. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß es sich um Auftragsevaluation handelt.

 

Grundsätzlich ist anzumerken: Evaluation ist keine Last, sondern eine Hilfe. Aus formativer Evaluation ergeben sich in der Regel wichtige Hinweise zur Verbesserung des evaluierten Gegenstandes. Dabei ist der Evaluator aber auf die Hilfe der Partner angewiesen. Gute Evaluation ergibt sich nur aus guten Daten!

 

Daten

 

Im folgenden sollen die für in unserem Fall wichtigen Daten besprochen werden. Es handelt sich um:

·        Protokolldaten

·        Leistungsdaten

·        Fragebogendaten

 

Protokolldaten

 

Insbesondere bei der Evaluation von virtuellen Seminaren genügt es nicht, nur auf die subjektiven Ratings der Benutzer zurückzugreifen. Hier bestehen auch andere Möglichkeiten, nämlich die Zuhilfenahme von Protokolldaten. Diese sind objektiv und spiegeln die tatsächliche Programmnutzung durch die Lerner wider. So kann man Rückschlüsse ziehen auf die Effektivität der medialen Elemente sowie auf die Interaktivität zwischen Programm und Nutzer (Burton & Walther, 2001). Theoretische Hypothesen über Variablen des Nutzerverhaltens können besser und valider geprüft werden.

Protokolldaten können durch andere Informationen (z.B. Fragebogendaten) ergänzt werden.

 

Welche Daten sind wichtig?

·        Serverdaten der besuchten Seiten des Nutzers (interne und externe Links)

·        Nutzungsdauer pro Seite, Nutzungsdauer pro Sitzung

·        Zugriffszeit

·        Downloads

·        Kommunikation des Benutzers

·        Hitliste der am meisten besuchten Seiten des Nutzers

 

Leistungsdaten

 

Neben subjektiven Fragebogendaten sollten weiterhin objektive Leistungsdaten erhoben werden (Jäger & Petermann, 1995). Hierunter versteht man in Bezug auf virtuelle Seminare die Durchführung von Vor- und Nachtests zur Feststellung des individuellen Wissensstandes vor und nach Beendigung des Seminars.

 

Diese Tests sind insofern nicht nur für die Evaluation wichtig, als der Lehrer in virtuellen Seminaren mit Lernern konfrontiert ist, die er nicht kennt und die mit verschiedenem Vorwissen das Seminar besuchen. Der Lehrer kann sich durch den Vortest einen Überblick über das Wissen der Teilnehmer verschaffen.

 

Für die Lerner ist ein Vor- und Nachtest insofern wichtig, als sie dadurch ein zusätzliches Feedback über ihren Wissensstand erhalten.

 

Leistungsdaten sind ebenso wie Protokolldaten objektiv und nicht abhängig von der individuellen Wahrnehmung und Erinnerung des Lerners oder von eventuellen anderen beeinflussenden Variablen. Es handelt sich um sogenannte harte Daten. Sie können durch subjektive Fragebogendaten ergänzt werden.

 

Zu prüfende Hypothesen:

  1. Kommt es zu einem Wissenszuwachs?
  2. Wodurch ist dieser Wissenszuwachs bedingt?

 

Wie sollte ein Vor- bzw. Nachtest konstruiert werden (Bortz & Döring, 1995)?

·        Zwischen 5 und 10 Fragen genügen

·        Am einfachsten sind Multiple-Choice-Fragen

·        Sie sollten so konstruiert sein, daß sie eine Unterscheidung in gutes und weniger gutes Vorwissen zulassen (Stichworte: Itemschwierigkeit, Trennschärfe, Homogenität des Tests)

·        Es sollten mindestens ein oder zwei Fragen von jedem Lerner beantwortet werden können, um Frustration zu vermeiden.

 

Fragebogendaten

 

Fragebogendaten sind subjektiv und quantitativ. Sie können bei Bedarf durch zusätzliche qualitative Daten ergänzt werden.

 

Es sollen erhoben werden:

·        Soziodemographica

·        Motivation des Lerners, an der Veranstaltung teilzunehmen

·        Aktionen und Kommunikation des Lerners aus seiner Sicht

·        Beurteilung des Seminars aus der Sicht des Lerners

 

Fragebogendaten dienen also neben objektiven Daten dazu zu klären, ob das Bildungsproblem, die Lernziele sowie die gewählte didaktische Strategie im Seminar adäquat umgesetzt wurden und zum erwünschten Erfolg führten.

Quantitative Daten sind einfacher zu erheben, beanspruchen den Probanden weniger, sind repräsentativer und bei größeren Populationen das Mittel der Wahl.

 

Quellen

 

Albrecht, R. (2000). Einsatz elektronischer Medien im realen und virtuellen Campus.

Bortz, J. & Döring, N. (1995). Forschungsmethoden und Evaluation. Berlin: Springer.

Burton, M.C. & Walther, J.B. (2001). The Value of Web Log Data in Use-Based Design and Testing. Journal of Computer-Mediated Communication, 6, No. 1 u.2.

Hesse, F.W. & Schwan S. (im Druck). Internet-Based Teleteaching. In: Krank, W., Ludwig, H.W. & Straßner, E. (Hrsg.). Media: Technology, History, Communication, Aesthetics. An International Handbook of International Research. Handbook of Linguistic and Communication Science. Berlin: de Gruyter.

Jäger, R.S. & Petermann, F. (1995). Psychologische Diagnostik. Weinheim: Beltz.

Kerres, M. (1999). Didaktische Konzeption multimedialer und telemedialer Lernumgebungen. HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, 1, S. 22-35.

Kerres, M. & Jechle, T. (2000). Betreuung des mediengestützten Lernens in telemedialen Lernumgebungen. Unterrichtswissenschaft. Zeitschrift für Lehr-Lernforschung.

Leufen, S. (1996). Software-Angebot für Unterricht und Schule. In: Bertelsmann Stiftung & Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.). Neue Medien in den Schulen. Projekte – Konzepte – Kompetenzen. Gütersloh: BIG.

Rossi, P.H. & Freeman, H.E. (1993). Evaluation. A systematic Approach. Beverly Hills: Sage.

Schwan, S. (2001). Virtuelle Realitäten: Ein pädagogisch-psychologischer Überblick. Abstract des Überblicksreferates auf der 8. Fachtagung Pädagogische Psychologie. Landau.

Wottawa, H. & Thierau, H. (1998). Lehrbuch Evaluation. Bern: Huber.